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Können mRNA Krebsvakzine wirklich so gut sein??

Am Beginn möchte ich kurz festhalten, dass dieses sog. mRNA Krebsvakzin, also „Impfung gegen Krebs“, nichts mit einer Impfung im herkömmlichen Sinn zu tun hat. Für mich ist die korrekte Bezeichnung „Krebstherapie“, denn bei einer herkömmlichen Impfung wird ein „Stoff“, der für den Körper unbekannt ist, verabreicht, um eine Immunreaktion gegen den Stoff zu initiieren. Dieser Stoff kann Teil eines Virus oder Bakteriums sein, aber auch ein abgetötetes Virus oder Bakterium selbst. Nach einer herkömmlichen Impfung erwartet man sowohl eine Antikörperantwort als auch eine zelluläre Immunantwort (T Zellen) im Körper.

Was ist eigentlich ein Krebsvakzin und was ist die Theorie dahinter?

Krebsvakzine müssen korrekterweise als eine „aktive, spezifische Immuntherapie gegen Krebs“ bezeichnet werden, denn die Vakzine therapieren Krebs, aber können nicht präventiv angewendet werden. Diese Therapie soll viel mehr die vorhandene Immunität gegen einen bereits etablierten Krebs steigern bzw. stimulieren. Im Fokus dieser Behandlung stehen die T Zellen und nicht die Antikörper (AK spielen eine eher geringe Rolle bei der Abwehr von Krebszellen durch das Immunsystem).

Es gibt unterschiedliche Ansätze für ein Krebsvakzin. Dazu gehören z.B. 1) die Verwendung von Dendritischen Zellen des Patienten, die unterschiedlich vorbehandelt werden, 2) die Therapie mit abgetöteten Tumorzellen, 3) die Therapie mit DNA, 4) die Verwendung von mRNA und mehr. 

Derzeit gibt es keine Möglichkeit präventiv zu behandeln. Man kann schließlich nicht vorhersagen, i) welcher Krebs entstehen wird, ii) welche Antigene für die Therapie die richtigen sind, iii) welche Art von Vakzin erfolgreich sein könnte.

Zur Erinnerung noch einige wichtige immunologische Grundlagen.

1) Unser Immunsystem ist eine geniale Entwicklung der Natur, denn es kann die kleinsten Abweichungen, wie z.B. Mutationen in einer Zelle erkennen. Das funktioniert normalerweise auch bei Krebszellen so, denn die Krebszellen „versuchen“ sich durch Veränderungen (Mutationen) einen Wachstumsvorteil gegenüber allen anderen Zellen zu verschaffen. Das Immunsystem erkennt diese Änderung und wird aktiviert. Wäre das nicht der Fall, würden bereits junge Menschen häufig Tumoren entwickeln. Im Laufe der Jahre verändert sich das Immunsystem und wird weniger effizient. Das ist ein Grund, warum im Alter die Krebszellen weniger gut eliminiert werden, und Tumoren häufiger auftreten. Ein Beispiel für eine Schwächung des Immunsystems sind Patienten mit Autoimmunerkrankungen. Durch Einnahme von Medikamenten, die die Aktivität des Immunsystem einschränken, können vermehrt Tumoren auftreten.

2) Das Immunsystem kann zwischen körpereigenen (self) und körperfremden (non-self) Proteinen unterscheiden. Diese Unterscheidung wird durch die T Zellen getroffen, die die verschiedenen Antigene im Komplex mit den „Haupthistokompatibilitätsmolekülen“ (MHC) an der Zelloberfläche erkennen.

Der Mensch entwickelt die Fähigkeit zur Unterscheidung von körpereigen/ körperfremd bereits in der embryonalen Entwicklung im Mutterleib während der Schwangerschaft. In dieser Entwicklungsperiode werden im Thymus alle T Zellen, die gegen körpereigene Proteine/ Stoffe gerichtet sind, eliminiert (Details dazu in den Lehrbüchern der Immunologie). Würden diese T Zellen nicht eliminiert, könnten diese unsere Körperzellen zerstören. Ohne den embryonalen Selektionsprozess wären wir nicht lebensfähig.

Nach diesem Selektionsschritt bleiben also nur mehr T Zellen übrig, die „Fremdprotein“ erkennen können aber körpereigenen Proteine nur ganz schlecht erkennen. Körperfremde Proteine, wie z.B. virale oder bakterielle Proteine, können eine starke Immunreaktion im Körper auslösen, da jene T Zellen, die gegen „Fremdproteine“ gerichtet sind, während der embryonalen Entwicklung nicht eliminiert wurden. Sie können aktiviert werden (z.B. Infektion) um ihre Aufgabe zu erfüllen (Stimulierung des gesamten Immunsystems durch Produktion von Zytokinen und Abtöten von Viren, Bakterien etc.).

3) Der Unterschied zwischen körpereigen und körperfremd ist auch in der Immunreaktion bei der Krebstherapie von Bedeutung. Die sog. Tumorantigenen, Proteine, die auf den Krebszellen im Komplex mit den MHC Proteinen vorkommen und bisher vorwiegend für die Vakzine verwendet werden, sind häufig bereits bekannte zelluläre Proteine. Daher werden sie vom Immunsystem bereits körpereigen erkannt. Die Hoffnung liegt in der Identifizierung von sog. Neoantigenen, die de novo in den Tumorzellen exprimiert werden.

Die mRNA Technologie ist nur eine Möglichkeit von mehreren.

Die Vorstellung, dass es eine Technologie geben könnte, nämlich eine sog. „Impfung“ gegen Krebs zu entwickeln, ist schon seit mehr als 25 Jahren in den Köpfen der Wissenschaftler (Leider bisher wenig erfolgreich!). Zu dieser „Impfung“ gibt es verschiedene technologische Ansätze, die bereits am Beginn dieses Beitrags erwähnt wurden und die ausführlich in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben werden.

Die mRNA Technologie, die momentan sehr gehypt wird, ist nur eine davon. In den letzten 15-20 Jahren haben sich einige Forschergruppen, sowohl an den Universitäten als auch in der Pharmaindustrie, mit der mRNA Technologie beschäftigt. Bis dato wurde die Produktion „universeller“ mRNA Therapien forciert. „Universell“ bedeutet in diesem Zusammenhang, die mRNA könnte bei vielen Krebspatienten, auch mit unterschiedlichen Krebsarten, angewendet werden, was den Herstellungsprozess vereinfacht.

Der Schlüssel für eine „universell“ einsetzbare mRNA sind einige wenige Gene (Tumorantigene), die immer wieder in Tumorzellen exprimiert werden. Manche dieser Gene werden nicht nur in einem Tumortype, sondern auch in verschiedenen anderen Krebsindikationen aktiviert. Dabei handelt es sich meist um Gene, die in Körperzellen während der embryonalen Entwicklung exprimiert werden. Nachdem die embryonale Entwicklung abgeschlossen ist, werden diese Gene wieder deaktiviert.

Der wichtige Faktor bei jenen embryonalen Proteinen ist aber, dass sie vom Immunsystem in der Entwicklungsphase bereits als körpereigen erkannt wurden. Deshalb wurden jene T Zellen, die die embryonalen Antigene erkennen und für eine wirklich effektive Immunreaktion gegen die Tumorzellen notwendig wären, bereits eliminiert. Das Immunsystem (und da vor allem die T Zellen) kann somit auch nach Stimulierung mit dem entsprechenden mRNA Vakzin, die Tumorzellen, die diese Protein exprimieren, nur schlecht zerstören. Aus diesem Grund ist die Behandlung wenig wirksam und löst nur eine schwache Immunreaktion aus. Dieses Problem versuchte man bis dato, durch mehrmalige Applikation der mRNA Vakzine (wiederholte Stimulierung!), zu lösen. Die Forscher hofften damit, dass die verbliebenen T-Zellen doch noch ausreichend stimuliert werden könnten (Kreuzreaktion), um ein Schrumpfen des Tumors zu bewirken. Aber auch diese Vorgehensweise war kaum erfolgreich (Phase I, Phase II klinische Studien zeigen das).

Das Um und Auf in dieser Therapie ist also ein Antigen zu finden, welches vom Immunsystem als „fremd“ erkannt wird (also ein „Neoantigen“), nur auf Tumorzellen vorkommt und somit eine „anti-Krebs“ Reaktion auslösen kann. Natürlich suchen die Wissenschaftler intensiv nach diesen alternativen Antigenen, die für die „Krebsvakzine“ eingesetzt werden könnten. Über das Thema der „Neoantigene“ gibt es bereits viele Publikationen und man könnte dazu eigene Beträge verfassen.

Falls die Forschung auf dem Gebiet erfolgreich sein sollte und dabei selektive Tumorantigene entdeckt werden, stellen sich dennoch immer noch viele Fragen. Zum Beispiel: Müssen diese mRNA Therapien personalisiert werden, d.h. nur für einen Patienten hergestellt werden, weil die Antigene sehr spezifisch sind? * Das bedeutet auch, dass jeder Tumor analysiert werden muss (nasschemisch).

Aber auch ähnlich Fragen, wie das schon bei der COVID-19 Impfung der Fall war: Wird eine Autoimmunreaktion im Körper ausgelöst, wenn die Nukleinsäure (mRNA oder DNA) in Zellen eindringt und diese als „fremd“ markiert? In welchen Zellen wird die mRNA exprimiert werden? Werden so auch normale die Zellen anschließend durch das Immunsystem zerstört? und vieles mehr.

Meiner Meinung nach muss die Methode der mRNA als „Vakzin“ nach den Erfahrungen der COVID-19 Gentherapie sehr kritisch betrachtet werden. (Dr. rer. nat. Renate Konopitzky)

* Personalisiert bedeutet, dass ein sog. Krebsvakzin ausschließlich nur für eine Person hergestellt wird. Dafür müssen die Tumorzellen jedes einzelnen Patienten genetische analysiert werden.

Eine kurze Liste an Publikationen zu Krebsvakzine, die aus der Fachliteratur (PubMed) beliebig erweitert werden kann

Cancer DNA vaccines: current preclinical and clinical developments and future perspectives

J Exp Clin Cancer Res. 2019 Apr 5; 38:146. doi: 10.1186/s13046-019-1154-7

Cancer Vaccines: Toward the Next Breakthrough in Cancer Immunotherapy

J Immunol Res. 2020 Nov 17; 2020:5825401. doi: 10.1155/2020/5825401

Vaccine Therapies for Cancer: Then and Now 

Targeted Oncology (2021) 16:121–152 https://doi.org/10.1007/s11523-020-00788-w 

Recent Findings on Therapeutic Cancer Vaccines: An Updated Review

Biomolecules 2024, 14, 503. https://doi.org/10.3390/biom14040503

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