Autophagie – Krankheit – SARS-CoV-2 Infektion

Was passiert bei der Autophagie?

Autophagie könnte frei als „selbstaufessend“ übersetzt werden. Die Autophagie ist ein biologischer Abbauprozess von intrazellulären Bestandteilen (meist überflüssigen, defekt), die von Enzymen in den zelleigenen Lysosomen zerlegt werden. Die abzubauenden Komponenten werden zuerst von Membranen umschlossen (Bildung eines Autophagosom) und anschließend zu den Lysosomen transportiert. Die Lysosomen verschmelzen mit den Autophagosomen und der Abbau kann beginnen. Die zerlegten Bestandteile werden für den Aufbau von neuem Zellmaterial wiederverwendet (Homöostase) oder sie dienen zur Energiegewinnung für die Zelle. Diesen Vorgang kann man auch als einen Recycle Prozess sehen.

Autophagie ist ein völlig natürlicher Prozess im Körper, bei dem sich die Zelle „reinigt“. Der Prozess kann als eine Art Qualitätskontrolle für die Zellen verstanden. Autophagie ist für das Überleben und das optimale Funktionieren der Zellen essenziell.

Sie ist wichtig:

1) für die Wiederaufbereitung von Zellmaterial,

2) dafür, die Zelle vom „Müll“ zu befreien,

3) für die Zerstörung von intrazelluläre Pathogenen, wie Viren und Bakterien.

Umweltbedingungen, wie Stress durch Hungern, Sauerstoffmangel, hohe Körpertemperatur oder auch Ausschüttung von Hormonen können den Prozess der Autophagie in Gang setzen. Auf zellulärer Ebene bedeutet z.B. ein niedriger Glukosespiegel, dass ein Energiemangel und ein Aminosäuredefizit (Proteinaufbau) vorherrschen, was zur Aktivierung der Autophagie führt.

Der Autophagie kommt auch bei der Frage der Zellalterung und der Langlebigkeit eine bedeutende Rolle zu. Bei älteren Menschen ist der Prozess der Autophagie häufig beeinträchtigt, wodurch die Zellen den „Schrott“ nicht mehr ausreichend beseitigen können. Damit sind die zellulären Funktionen beeinträchtigt und es können häufig entzündliche Vorgänge angestoßen werden.

Autophagie und Krankheit

Die Autophagie kann mit verschiedenen Krankheitsbildern assoziiert werden, besonders mit verschiedenen entzündlichen Prozessen, aber auch Autoimmunerkrankungen, wie Morbus Crohn, oder Leber- und Nierenerkrankungen. Auch Krebs wird immer wieder mit der Autophagie in Verbindung gebracht. Dabei ist der Zusammenhang nicht eindeutig. Einerseits kann ein Defekt in der Autophagie bei der Entstehung einer Krebserkrankung, also im Frühstadium, die Mutationen im Erbgut „fördern“, was eine Entartung der Zellen vorantreibt (in diesem Fall würde die Stimulierung der Autophagie von Vorteil sein). Andererseits kann erhöhte Autophagie das Wachstum von Tumorzellen in einer späteren Phase des Tumorgeschehens noch forcieren, da eine optimale Energieversorgung für die Tumorzelle besteht (in diesem Fall müssten Inhibitoren verabreicht werden). In all diesen Untersuchungen muss aber berücksichtigt werden, dass viele der Daten aus Experimenten mit Mäusen und Ratten stammen, die sicher nicht 1:1 auf den Menschen übertragbar sind. Dennoch zeigen die Versuche, dass die Autophagie für den Körper eine große Bedeutung hat.

Autophagie und Pathogene

Auch Viren und Bakterien beeinflussen den Metabolismus der Zelle und können damit auch den natürlichen Recycle Prozess, nämlich die Autophagie, stören. Es bleiben die schadhaften Zellkomponenten „unverdaut“, die entzündlichen Prozesse im Körper können dadurch befeuert werden. Entzündliche Prozesse aktivieren verschiedene Zellen des Immunsystems und die Ausschüttungen von Botenstoffen (Zytokine, Chemokine) aus den Zellen, was wiederum zu Autoimmunreaktionen führen kann.

SARS-CoV-2, (wie auch andere Viren) moduliert den zellulären Metabolismus und reduziert den Vorgang der Autophagie. Infizierte Zellen akkumulieren Metaboliten in der Zelle, die den natürlichen Recycle Prozess inhibieren können. In den Zellen werden geringere Mengen an Proteine gebildet, die für die Bildung des Autophagosoms notwendig sind. Substanzen, die die Autophagie stimulieren, limitieren die Vermehrung von SARS-CoV-2.

Zellen von Lungengewebsproben aus COVID-19 Patienten und Schleimhautproben wurden im Labor vereinzelt und auf Einzelzellebene untersucht. Dabei zeigte sich, dass der Vorgang der Autophagie in infizierten Zellen sowohl vom Zelltyp als auch vom Zeitpunkt der Probenahme während der Krankheit sowie der Virusreplikation abhängig ist. Durch eventuelle Vorerkrankungen des Probanden kann die Autophagie zusätzlich beeinflusst werden. Exogene Gabe von Substanzen, die die Autophagie stimulieren, können die SARS-CoV-2 Virusreplikation reduzieren bzw. blockieren. Zu diesen Substanzen zählen z.B. Polyamine, wie Spermidin oder Spermin. Diese Beobachtungen wurden sowohl im primären Lungengewebe der Probanden als auch in sogenannten Organoiden von gastrointestinalen Zellen gemacht (künstliche Organstrukturen, die unter Laborbedingungen hergestellt werden).

Zusammenfassend wäre zu sagen:

1) SARS-CoV-2 erhöht die Akkumulation von zellulären Metaboliten, die die Homöostase der Zellen blockieren können.

2) SARS-CoV-2 limitiert die Induktion der Autophagie und blockiert damit die Weiterleitung wichtiger Informationen innerhalb der Zelle (Signale für Zellorganellen und den Zellkern).

3) Die Stimulierung der Autophagie durch exogene Gabe von oben erwähnten Substanzen kann die Virusvermehrung stark bremsen.

Dr. Renate Konopitzky (PhD)

SARS-CoV-2-mediated dysregulation of metabolism and autophagy uncovers host-targeting antivirals

Nat. Commun, 2021 Jun 21;12(1):3818

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