Die COVID-19 mRNA „Impfung“ und das Auftreten von neuerlichen Multiple Sklerose Schüben

Die mRNA Vakzinierung kann lt. Fachliteratur sowohl transiente Autoimmunphänomene als auch manifeste Autoimmunerkrankungen auslösen. Für ein besseres Verständnis der nachfolgenden Daten vorab eine kurze Auffrischung zur Immunologie der Multiplen Sklerose (MS).

MS ist eine Autoimmunerkrankung des Zentralnervensystems, bei der spezifische CD4 positive T Zellen, auch T Helferzellen* genannt, gebildet werden, die gegen körpereigene Proteine in den Myelinscheiden gerichtet sind. Die T Zellen erkennen kleine Abschnitte auf den Proteinen, nämlich Peptide, die eine Länge von 9-25 Aminosäuren haben. Die Peptide werden als Komplex mit den HLA Proteinen (MHC) erkannt. Durch die Stimulierung der neu entstandenen T Helferzellen wird eine Entzündungsreaktion ausgelöst, die wiederum eine Aktivierung von weiteren Immunzellen, wie Makrophagen und spezifischen zytotoxischen T Zellen, bewirkt. Die Makrophagen und die zytoxischen T Zellen greifen die Zellen der Myelinscheiden an, die die spezifischen Peptide an der Oberfläche haben, und zerstören so die schützenden Myelinscheiden der Nerven.

Der Auslöser der Krankheit konnte noch nicht eindeutig definiert werden. Es wird aber vermutet, dass eine virale Infektion die Bildung von T Helferzellen gegen virale Peptide im Körper induziert. Die gebildeten anti-viralen T Helferzellen können durch das sogenannte Epitope Spreading** mit Peptiden der Myelinscheidenproteine kreuzreaktiv werden, deren Aminosäurensequenz meist sehr ähnlich zum viralen Peptid ist. Diese Kreuzreaktion führt zur Zerstörung des Myelins. Proteine der Myelinscheiden, die häufig nach diesem Prozess erkannt werden, sind das MBP (basisches Myelinprotein) und das MOG (Myelin Oligodendrozyten Glykoprotein).

Bei der Entstehung der MS können außerdem genetische Faktoren oder spezifische HLA-Typen eine Rolle spielen.

In einem Vortrag im Oktober 2022 bei einer Konferenz über Multiple Sklerose in den Niederlanden berichtete eine Gruppe von Forschern über zwei Multiple Sklerose (MS) Patienten, bei denen in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur mRNA „Impfung“ neue klinische Symptome und radiologische Auffälligkeiten beobachtet wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass durch das Einbringen der Spike mRNA und nachfolgende Produktion des Spikeproteins spezifische T Zellklone gegen bestimmte Peptide des Spikeproteins entstanden sind. Diese T Zellen zeigen die Merkmale von T Helferzellen, die nach ihrer Stimulierung durch das Spikeprotein, weitere Immunzellen, wie Makrophagen und zytotoxische T Zellen (ebenso Spike spezifisch) im Körper aktivieren können. Auf Grund des immunologischen Phänomens des Epitope Spreading* können Kreuzreaktionen gegen körpereigene Peptide, die in ihrer Aminosäuresequenz den Spikepeptiden sehr ähnlich sind, hervorgerufen werden.

Um die Hypothese der Kreuzerkennung von Myelinscheidenproteine durch Spike-spezifische T Zellen zu untersuchen, wurden die T Helferzellen (CD4 positiv) aus dem Blut der MS Patienten isoliert und auf ihre Reaktivität gegen verschiedene MS assoziierte Proteine getestet. Als Kontrolle wurden die immunogenen Spikepeptide verwendet. In beiden Patienten konnten T Zellen identifiziert werden, die sowohl die Spikepeptide, aber auch Peptide der Proteine MBP und des MOG erkennen können. Diese Daten deuten darauf hin, dass der neuerliche MS Schub bei den Patienten sehr wahrscheinlich durch kreuzreaktive T Zellen, die ursprünglich gegen das virale Spikeprotein gerichtet waren, ausgelöst wurde.

Dr. Renate Konopitzky (PhD)

*T Helferzellen sind CD3 positiv und CD4 positiv; sie erkennen Peptide im Komplex mit HLA Klasse II Proteine. Zytotoxische T Zellen sind CD3 positiv und CD8 positiv und erkennen Peptide im Komplex mit HLA Klasse I Molekülen

**Epitope Spreading: dabei werden vorerst gegen ein „immundominantes“ Peptide (=Epitop) T Zellen gebildet. In Folge können dann nach und nach andere Peptide („Subdominante“), die dem ursprünglichen Epitop sehr ähnlich sind, erkannt werden. Bei einem körperfremden Protein kann das von Vorteil sein, denn es steigert die Abwehr; nicht aber, wenn dabei auch körpereigene Peptide erkannt werden und damit eine Autoimmunreaktion hervorgerufen wird.

Literatur:

Covid-19 vaccination can induce multiple sclerosis via cross-reactive CD4+ T cells recognizing SARS-CoV-2 spike protein and myelin peptides.

Y. Qiu1, M. Batruch2, R. Naghavian2, I. Jelcic2, B. Vlad1, M. Hilty1, B. Ineichen3, J. Wang1, M. Sospedra1, R. Martin1

1University Hospital Zürich, Neurology, Zürich, Switzerland, 2University Hospital Zürich, Zürich, Switzerland, 3University Hospital Zürich, Neuroradiology, Zürich, Switzerland

Weitere Literatur zu diesem Thema:

  • Achiron A. et al. (2021). COVID-19 vaccination in patients with multiple sclerosis: what we have learnt by February 2021. Multiple Sclerosis; doi: 10.1177/13524585211003476
  • Maniscalco, Giorgia T. et al. (2021). Severe Multiple Sclerosis Relapse After COVID-19 Vaccination: A Case Report. Frontiers in Neurology.
  • Fujimori, Juichi, Kouichi Miyazawa & Ichiro Nakashima (2021). Initial clinical manifestation of multiple sclerosis after immunization with the Pfizer-BioNTech COVID-19 vaccine. Journal of Neuroimmunology 361: 577755.