Die modRNA Vakzine für die Krebstherapie und die modRNA Vakzine als präventive Behandlung von Infektionskrankheiten – ein Vergleich

Einführende Bemerkungen zum Thema

Die Technologie der modRNA* Herstellung ist für beide therapeutische Anwendungen gleich. Die Methoden zur Verlängerung der Lebensdauer der mRNA werden sowohl für die Krebstherapie als auch für die „Impftherapie“ eingesetzt. Die natürliche mRNA überlebt meist nur Minuten bis wenige Stunden im Körper. Durch die künstliche Veränderung der mRNA (*danach als modRNA bezeichnet) kann ihre Lebensdauer bis zu mehrere Wochen verlängert werden. Die beiden gravierendsten Modifikationen in der modRNA sind einerseits die Substitution der Uracil Nukleotide (Uridin) im genetischen Code durch Pseudouridin und andererseits die Verpackung der modRNA in sog. LPN (Lipidnanopartikel).

Um den Unterschied zwischen den beiden Therapieanwendungen beschreiben zu können, braucht es eine kurze Auffrischung einiger immunologischer Grundlagen. Unser Immunsystem kann zwischen „self“ (körpereigen) und „non-self“ (körperfremd) Proteinen unterscheiden. Diese Fähigkeit wird bereits in der embryonalen Entwicklung erworben. Während dieser Entwicklungsperiode werden im Thymus alle hoch affinen (d.h. gut stimulierbaren bzw. aktivierbaren) T Zellen, die gegen die sog. „self“ Proteine gerichtet sind, selektiv eliminiert. Würden diese hoch affinen T Zellen nicht eliminiert werden, dann könnten diese durch die Bindung an „self“ Proteine stimuliert werden, und so unsere normalen Körperzellen zerstören. Ohne diesen Selektionsprozess wären wir nicht lebensfähig. Nach diesem Selektionsschritt bleiben nur mehr schwach affine (also schlecht stimulierbare) T Zellen gegen „self“ Proteine übrig, die die normalen Zellen nicht angreifen würden. Fremde Proteine, wie virale oder bakterielle Proteine, hingegen, können eine starke Immunreaktion auslösen, denn die spezifischen T Zellen gegen diese Fremdproteine wurden während der Entwicklung nicht eliminiert. Diese Unterschiede zwischen „self“ und „non-self“ sind in der Immunreaktion für den Vergleich von Krebstherapie und „Impfung“ von Bedeutung.

Zu erwähnen ist noch, dass die T Zellen kleine Proteinfragmente (Peptide) als Komplex mit den MHC (Major Histokompatibilitätskomplex) Molekülen an der Zelloberfläche erkennen und an sie binden können. Dadurch werden T Zellen entweder stimuliert, und je nach T Zelltyp, wird ein zytotoxischer Prozess in Gang gesetzt oder es werden vorwiegend Zytokine produziert, die die Immunreaktion beeinflussen können. T Zellen können nur an intakte Zellen andocken. Im Vergleich zu den T Zellen erkennen Antikörper ihre Antigene direkt als Protein an der Zelloberfläche oder in Lösung.

Die Krebstherapie mit modRNA

Die Technologie der sogenannten RNA-Vakzine für die Krebstherapie wird schon mehr als 15 Jahre lang erforscht. An diesem Thema arbeiten sowohl Firmen als auch akademische Gruppen. Der große Durchbruch auf diesem Gebiet konnte bis heute noch nicht erzielt werden, denn es hat noch keine dieser modRNA-Therapien eine Zulassung für den Markt erhalten. Bis jetzt wurden bzw. werden klinische Phase I/ II Studien durchgeführt (Ph I: ist die Behandlung sicher? Ph II: Wirkt die Behandlung?). Der eigentliche Beweis, nämlich dass die Tumoren als Folge der Behandlung schrumpfen bzw. verschwinden, konnte noch nicht eindeutig erbracht werden.

Auf Grund der großen genetischen Heterogenität der Tumorerkrankungen, sowohl zwischen den verschiedenen Krebsindikationen als auch zwischen den Tumoren einzelner Personen in einer Indikation, ist es besonders schwer eine universell einsetzbare modRNA-Therapie herzustellen. Hier kommt dem Begriff der „personalisierten Medizin“ eine besondere Bedeutung zu. Die Heterogenität der Tumoren basiert darauf, dass die Mehrzahl der Veränderungen im Tumor, wie z.B. Mutationen, in den einzelnen Tumoren verschieden ist. Die genetischen Veränderungen betreffen zwar meist die gleichen funktionellen Proteine (sogenannte Oncogene), aber die Veränderungen (Mutationen) sind oft an unterschiedlichen Positionen in deren Gene (DNA) zu finden. Unterschiedliche Veränderungen in der DNA erzeugen auch unterschiedliche Aminosäuren im kodierten Protein und damit entstehen verschiedene Immunogene (Antigene). Meistens ist die Anzahl der Patienten, die eine identische Veränderung haben, sehr gering. Das ist der Grund, warum es schwieriger ist, eine universell anwendbare modRNA gegen diese veränderten Antigene zu entwickeln.

Bisher wurde ein anderer Zugang gewählt, der die Entwicklung universeller modRNA Therapien erleichtert. Es gibt einige wenige Proteine, die immer wieder in Tumoren vorkommen, auch in unterschiedlichen Krebsindikationen. Diese Proteine wurden für die Herstellung der modRNA Vakzine bisher verwendet. Dabei handelt es sich meist um Proteine, die der Körper im embryonalen Entwicklungsstadium produziert und danach wieder abgeschaltet hat. Die Expression (d.h. die Produktion) dieser Proteine kann aber in Tumorzellen reaktiviert sein. Da die embryonalen Proteine in der Entwicklungsphase des Immunsystem bereits als „self“ erkannt worden sind, hat das Immunsystem nur mehr die schlecht aktivierbaren T Zellen zur Verfügung. Aus diesem Grund löst die Behandlung mit dieser Art von mRNA meist nur eine schwache Immunreaktion aus. Die Wirksamkeit der Therapie ist meist nur moderat und auch die Nebenwirkungen sind moderat. Für eine gute Wirksamkeit wird das Immunsystem wahrscheinlich nicht ausreichend stimuliert. Man hofft durch mehrmalige Behandlung der Patienten mit der RNA Vakzine, die T-Zellen besser stimulieren zu können und so eine deutlichere Wirkung auf den Tumor erzielen zu können. (Es gibt noch eine weitere Gruppe von Proteinen, die sogenannten Cancer/Testis Antigene, die sich auch für diese Therapie eignen würden – die werden hier nicht besprochen).

Eine wichtiges Merkmal der verwendeten embryonalen Tumorproteine, die von der applizierten RNA kodiert werden, ist ihre Lokalisation in der Zelle. Diese Proteine findet man vorwiegend im Zytoplasma und nicht an der Zelloberfläche. Es gibt von diesen Proteinen nur Peptide/MHC Komplexe an der Zelloberfläche, die auch nur von T Zellen (schwache T Zellen) erkannt werden. Es werden kaum Antikörper produziert, denn intrazelluläre Proteine stimulieren wenig Antikörperantwort. Die Proteine sind nicht an der Oberfläche der Zellen und können auch nicht von Antikörpern erkannt und gebunden werden.

Entwickelt sich die modRNA Therapie in die Richtung der personalisierten Behandlung, muss das Thema Wirkung und Nebenwirkungen sehr genau durchdacht und neu getestet werden.

Die modRNA Therapie bei der „Impfung“ (SARS-CoV-19)

Bei der sogenannten Impfung stellt sich das Szenario etwas anders dar. Wird die modRNA, die für das Spikeprotein kodiert, in den Körper gespritzt, wird die modRNA von den Zellen aufgenommen. Die Zelle produziert dann das Spikeprotein, welches an die Zelloberfläche transportiert wird. Dieses virale Protein wird vom Körper als „non-self“, also körperfremd, erkannt und das Immunsystem wird voll aktiviert. Es werden Spikeprotein-spezifische T Zellen gebildet, die in Folge die Spikeprotein-positiven Zellen eliminieren können. Auch spezifische Antikörper gegen das virale Protein werden produziert. Die Antikörper binden an das Spikeprotein auf der Zelle, wodurch eine Antikörper vermittelte Zerstörung der Zelle stattfinden kann. Da jede Körperzelle die modRNA aufnehmen kann, kann dann auch jede Zelle Spikeprotein produzieren und durch T Zellen oder Antikörper zerstört werden. Da das Spikeprotein eine starke Immunantwort auslösen kann, können auch schwere Nebenwirkungen auftreten (z.B. Autoimmunerkrankungen), denn das Immunsystem hat gut bindende Antikörper und aktive zytotoxische T Zellen gebildet.

Vergleich der beiden Therapiegebiete

Meiner Meinung ist einer der wichtigste Unterschiede ein ethischer. Dieser Unterschied liegt bei diesen Therapieformen in der zu behandelten Patientenpopulation. Bei den sog. Impfungen als Präventivmaßnahme, werden gesunde Personen jeder Altersgruppe mit einer Therapie behandelt, die noch weitgehend unerforscht ist. Es gibt keinerlei Information über Langzeitfolgen dieser experimentellen Methode und der erwünschte Effekt, nämlich die sterile Immunität gegen eine Infektion, konnte (soweit ich die Literatur verstehe und interpretiere) nicht erzielt werden.

Bei den Krebstherapiestudien werden/ wurden bisher nur Patienten im Krebsstadium IV bzw. bereits „austherapierte“ Patienten inkludiert. Diesen Patienten wird die modRNA Therapie als eine letzte Behandlungsalternative angeboten.

Zusammenfassend ist festzustellen

Die modRNA kann bei beiden Therapieansätzen von allen normalen Zellen aufgenommen werden und in Protein „translatiert“ (übersetzt) werden.

Die Lokalisation der Antigene/ Proteine in verschiedenen Kompartimenten der Zelle

  • Krebstherapie: es wird vorwiegend das zelluläre Immunsystem (die T Zellen) aktiviert, da die RNA kodierten Proteine nur intrazellulär zu finden sind.
  • „Impfung“: das virale Protein befindet sich an der Zelloberfläche und im Zytoplasma. Es löst sowohl eine zelluläre Immunantwort als auch eine Antikörperantwort aus

Die Reaktion des Immunsystems unterscheidet sich

  • Krebstherapie: die bisher verwendeten Proteine sind dem Immunsystem bereits bekannt (self) und lösen eine moderate bis schwache Immunreaktion aus (T Zellen). Da die Immunreaktion schwach ist, werden wenig Zellen angegriffen und der Effekt, nämlich die Zerstörung von Zellen ist eher schwach.
  • „Impfung“: das virale Protein ist ein starkes Immunogen (denn es ist körperfremd) und löst somit eine starke Immunantwort aus (T Zellen und Antikörper). Die Fähigkeit der modRNA, in alle Körperzellen einzudringen und das virale Protein eben dort zu produzieren, macht die Anwendung dieser Therapie bedenklich, denn auch gesunde Zellen können angegriffen und zerstören werden.

Dr. Renate Konopitzky (PhD)

Die Interpretation der Daten basiert auf meiner Erfahrung in der medizinischen Forschung in der Immunologie und Tumorbiologie und ist meine Sicht der Dinge.

Literatur: Es gibt viele Publikationen, die über die COVID-19 modRNA Technologie aber auch über die RNA-Vakzine zur Krebstherapie berichten. Für weitere Details empfehle ich die Suche in der PubMed Datenbank. Lehrbuch – Cellular and Molecular Immunology, Tenth Edition; Abul K. Abbas, Andrew H. Lichtman, Shiv Pillai

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