EINE REISE DURCH DIE WUNDERBARE WELT DER QUANTEN

GASTBEITRAG vom 4.9.2023. Die in Leserbriefen und Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Mitglieder der Redaktionsgruppe der MFG Ärztegruppe wider. Inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor. Kürzungen und grammatische Korrekturen durch die Redaktionsgruppe sind vorbehalten.

Auszugsweise Verschriftlichung der gleichnamigen Wr. Vorlesung von Prof. Anton Zeilinger, Physiknobelpreisträger 2022, vom 31.5.23 – nach Aufzeichnung via You Tube (Ab Min 12) (https://www.youtube.com/watch?v=A0G_JgA-P8A)

Zunächst stellt Herr Prof. A.Z. (AZ) klar, dass die Quantenphysik heute in vielen Anwendungsbereichen nicht mehr wegzudenken ist. Wir alle haben ständig Kontakt damit. Handy, Chips, Laser, usw, sind heute technologisch unglaublich wichtig und beruhen auf Erwin Schrödingers Basis-Erkenntnis. Alles begann um 1900 mit dem „ Planck‘schen Wirkungsquantum“. Es dauerte 25 Jahre, bis eine Theorie dazu aufgestellt werden konnte durch Heisenberg und Schrödinger.

Interessant hier die Debatte Niels Bohr – Einstein. Einsteins Forderung an alle Naturwissenschaften war, die Wirklichkeit zu beschreiben UNABHÄNGIG von unserer Wahrnehmung. N.Bohr hingegen meinte, die Wissenschaft könne nur beschreiben, was über die Wirklichkeit gesagt werden kann. Einstein „schlug vor“ (O-Ton), Licht bestehe auch aus Teilchen – das war für ihn selbst damals sehr revolutionär – und bekam dafür den Nobelpreis 1922/23. (14)

Nun, was bedeutet dies für unsere Weltanschauung? Das bringt uns zum Konzept A) : Zufall. Einstein wollte eine Wirklichkeit beschreiben, die unabhängig unsrer Beobachtung existiert. Bis in die 1970er Jahre lag die Quanten-Forschung im Tiefschlaf und ich, AZ, wusste auch nicht, wofür sie gut sein könne. Aber ich erhielt das Forschungsgeld. (16) Ich sagte sogar, die Quantenprobleme seien vielleicht „für nix gut“. Wenn wirklich langfristig in der Forschung etwas erreicht werden will, darf man nicht verlangen, was die Anwendungen sein werden, NICHT verlangen, wie das Ziel zu erreichen sein wird.

Weitere Experimente führen zu neuen Fragen, interessante Dinge sind heute wieder offen. Bei ~ Min 20 beschreibt AZ den Quantensprung: Er ist die kleinstmögliche Energieänderung. WANN diese geschieht, ist völlig unvorhersehbar und es gibt keinerlei kausale Erklärung. Es geschieht rein zufällig, sagt AZ.

Heisenberg nennt dies „Objektiver Zufall“ und dies ist fundamental. Dies bezeichnet die Unwissenheit der Natur. Für Einstein war dies unerträglich. In der klassischen Physik gibt es den „Subjektiven Zufall“, es ist der Zufall des täglichen Lebens. Wir wissen es nicht genau, was tatsächlich der Grund ist, aber es gibt verborgene Ursachen und Zusammenhänge, Wissen. ( zB. aus dem Winkel, dem Druck, den Fingerspiel …, etc. ist erklärbar, welches Auge beim Würfeln erscheint.)

AZ fühlt sich wohl in dem Gedanken, dass auch für den lieben Gott Überraschungen passieren. „In der klassischen Physik ist alles naturwissenschaftlich erklärbar – eine abgeschlossene Welt – für mich eine erschreckende Idee.“ (23) Die Quantenphysik schafft ein offenes Weltbild. Der faktische Zustand der Welt definiert nicht, was jetzt der Fall ist. AZ findet das das bessere Weltbild.

Es gibt Nicht -durch -die-Physik -erklärbare-Zufälle. (24) AZ zitiert Dürenmatt und Anatol France: „Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen.“ Anatol France: „Zufall ist vielleicht das Pseudonym Gottes, wenn er nicht unterschreiben will.“ (26)

Konzept B): Verschränkung: „ Ich (AZ im O-Ton) habe den Nobelpreis bekommen für Arbeiten, wo solche (bezieht sich zuvor präsentierte Experimente, Anm. d. Verf.) Verschränkungen nachwiesen, dass keine vernünftige Erklärung möglich ist. Beide Teilchen haben nicht wohldefinierte Eigenschaften, aber der Zufall ist perfekt miteinander korreliert. (27) In der Quantenphysik gibt es keine verborgenen Ursachen.

Höchst erstaunlich, sagte dazu Erwin Schrödinger.

Die Quantenphysik liefert nicht, was Ergebnis sein soll. Das IST DAS WESENTLICHE CHARAKTERISTIKUM DER QUANTENPHYSIK.

Und bedeutet auch einen Abschied von liebgewonnenen Vorstellungen, wie die Welt beschaffen ist. In der Quantenphysik gibt es keine verborgenen Ursachen. Warum werden heutzutage derlei Arbeiten wie jene von Einstein aus dem Jahr 1935 11000x und mehr zitiert?

Bis in die frühen 1970er Jahre schlief diese Forschung. Heute gibt es Anwendungen. Und dies wusste vor 50 Jahren niemand.(30-33) „Ich kann nie aus dem quantenphysikalischen Zustand – und dies ist das Wesen der Information – von einem einzelnen System den genauen Zustand bestimmen. Das ist immer ungenau. Dazu die Heisenberg‘sche Unschärfebeziehung.“ (39)

AZ erwähnt Beispiele eigener Arbeiten, zu denen er Kommentare hörte wie : „Du spinnst!“ Heute gibt es alle paar Wochen Arbeiten zu diesen Themen.(45) AZ arbeitet heute unter anderem an „Primordialen Gravitationswellen; zugegeben, es ist etwas spekulativ.“ Dies sind Neutrinos, die vom Urknall herkommen. (47)

Niels Bohr: Kein Phänomen ist ein Phänomen, außer es ist ein beobachtetes Phänomen.(51)

AZ stellt die Frage: Warum haben wir die Quantenphysik? Woher kommt sie? Mathematisch ist sie ein wunderschönes Konzept einer Wirklichkeit, eine fantastisch genaue Beschreibung der Welt. Dieses Konzept einer Wirklichkeit hat aber keinen Sinn, ohne wenigstens die prinzipielle Möglichkeit, Information darüber zu bekommen. (53) Was aber ist Wissen über die Wirklichkeit? AZ ist der Überzeugung, die Trennung der Konzepte Wirklichkeit und Information ist willkürlich. Diese müssen wir in Übereinstimmung bringen.

AZ schließt mit einem Brief aus dem Jahr 1913 von hochrangigen Wissenschaftlern (Planck, Nernst, Rubens, Warburg) um Einstein an die Berliner Akademie der Wissenschaften zu bekommen. „… dass er (Einstein, Anm. d. Verf.) in seinen Spekulationen gelegentlich auch einmal übers Ziel hinausgeschossen haben mag, wie z.B. in seiner Hypothese der Lichtquanten, wird man ihm nicht allzu schwer anrechnen dürfen; denn ohne einmal ein Risiko zu wagen, lässt sich auch in der exaktesten Naturwissenschaft keine wirkliche Neuerung einführen.“ (55-57)

AZ: „Das ist das Fantastische an den Naturwissenschaften, dass sich eine Meinung vollkommen ändern kann, nicht in allen Wissenschaften ist dies der Fall. Ich freue mich, wenn in ein paar Jahren, solange ich noch lebe, meine Ideen von irgendjemandem umgestoßen werden. Das ist das Spannende. (59)

Wenn 99,9 % der wissenschaftlichen Community sagen, <das ist falsch> muss es noch nicht falsch sein, umgekehrt, wenn einige sagen, es ist richtig, muss es noch nicht richtig sein, das kann sich herausstellen. DAS IST GANZ WICHTIG!“ (58)

Einstein wollte wissen, wie Gott die Welt erschaffen hat. Was sind die fundamentalen Gedanken? (58-60)

Zum Abschluss Antworten Prof. Zeilingers in der anschließenden Frage-Runde: „Der örtliche Unterschied existiert nicht für das Licht. Im Bezugssystem Licht gibt keine Zeit.“ (1.02)

F.: „Kann man in der Biologie die Quantenphysik anwenden?“ – A.: Das ist eine offene Frage, weil biologische Systeme nie isoliert sind und nicht auf niedrigen Temperaturen. Ich frage, ob im menschlichen Gehirn die Quantenphysik eine Rolle spielt. Schwierig heute zu sagen, weil dort viel nicht-lineare Prozesse ablaufen.“ (1.08)

F.: „Gibt es in der Welt der Teilchen Zeit in unsrem Sinne, also dass die Entropie zunimmt?“ – A.: „Es gibt dazu eine interessante Arbeit. Entropie auf dem Level von Quanten- Systemen. Für einzelne Systeme gibt es keine Zeit. Die Ergebnisse der Verschränkung von Vielteilchensystemen erklärt etwas über die Grundlagen. Denn diese sind unabhängig von Raum und Zeit. Raum und Zeit sind daher sekundäre Konzepte.“(1.15)

Sollte Ihnen, verehrte Leserin, verehrter Leser, diese zugegeben sehr trockene auszugsweise Verschriftlichung des Vortrags Appetit auf die gesamte Vorlesung machen, so erwartet Sie Witziges und Hochinteressantes, auch einige Experimente werden vorgestellt.

Claudia Behrens Gesendet mit der mobilen Mail App

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