Whitewashing statt Qualitätsjournalismus

Fiala_2023-09-12_

Von: Christian Fiala
An: martin.stuhlpfarrer@diepresse.com

Lieber Herr Stuhlpfarrer,

Sie schreiben gestern in der Presse am Sonntag zu den aktuellen Vorgängen in der Wiener Ärztekammer u.a.: „Andere Kammerfunktionäre anzuzeigen ist in der Ärztekammer inzwischen ein Volkssport geworden.“
https://www.diepresse.com/15077167/johannes-steinhart-im-auge-des-aerzte-streits?from=rss

Als Arzt, Mandatar der Wiener Ärztekammer und Mitglied des Vorstandes der Wiener Ärztekammer bin ich äußerst verwundert, dass Sie, bzw. die Presse möglicherweise massiv strafrechtlich relevante Vorgänge in der Ärztekammer derart herunterspielen, um nicht zu sagen ins Lächerliche ziehen.

Ich darf Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass ein Gutachten der juristischen Fakultät Innsbruck zu den Vorgängen in der Wiener Ärztekammer im Mittagsjournal (Ö1 29. März 2023) sogar den Verdacht auf die Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ oder gar „kriminellen Organisation“ in den Raum gestellt hat. Das sind Delikte aus dem Strafgesetzbuch, die mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden.

Wegen dieser massiven Verdachtsmomente hat es u.a. eine Hausdurchsuchung in der Wiener Ärztekammer gegeben. 
Maßgeblich hat die, den inkriminierten Vorgängen zugrundeliegende Konstruktion von Tochterfirmen der jetzige Präsident Steinhart, damals Obmann der Kurie niedergelassener Ärzte initiiert und geführt. Dies alles unter der Präsidentschaft des Kollegen Szekeres. Es sollte ein normaler Vorgang in einer Demokratie sein, dass derartige Vorgänge von der Justiz untersucht und beurteilt werden. Immerhin ist Ihnen vermutlich auch das juristische Gutachten, in welchem der frühere Präsident Szekeres beschuldigt wird, bekannt.

Die Aufklärung dieser unfassbaren Vorgänge als „Volkssport“ zu verunglimpfen ist nicht nur ein unglaublicher Hohn den 14.000 Wiener Ärzten gegenüber, die die Ärztekammer mit ihren Beiträgen finanzieren, in der Erwartung einer Vertretung ihrer Interessen. Sondern es wirft auch Fragen auf, inwieweit Die Presse als wichtiges Medium in Österreich derartig massive strafrechtlich relevante Vorwürfe versucht zu decken, anstatt bei der Aufklärung zu helfen. 
In diesem Zusammenhang sei u.a. an die Artikelserie im Dossier verwiesen.

Abschließend, auch wenn Sie wegen Ihrer journalistischen Arbeit von der Ärztekammer vor nicht einmal 2 Monaten mit einem Preis und einem Preisgeld ausgezeichnet wurden, wäre trotzdem ein Mindestmaß an journalistischer Objektivität zu erwarten gewesen. https://www.diepresse.com/13447471/presse-redakteur-martin-stuhlpfarrer-ausgezeichnet

mit vielen Grüßen
Christian Fiala

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DDr. Christian Fiala
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

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